Lateinische Namen

... sind für den Laien beschwerlich und oft auch unverständlich!
Und für den Fachmann häufig richtige Zungenbrecher!


Warum reicht eine deutsche Bezeichnung nicht aus?

Weil eine Pflanzen mehrere deutsche Namen haben kann, und viele dieser Namen beziehen sich nicht auf nur eine Pflanze. Das folgende Beispiel zeigt, welche Probleme auftreten können. Für die Pflanze Chrysanthemum leucanthemum sind folgende 18 deutsche Bezeichnungen vorhanden:

Heublume, Kaiserkrone, Kranzblume, Kuhblume, Gänseblume, Liebesblume, Maiblume, Margaretenblume, Mondblume, Orakelblume, Rindsauge, Scheumpfresblume, Sternblume, Talerblume, Wagenblume, Wahrsagerblume, Wiesenmargerite, Wucherblume.

Ein Problem dabei ist, wenn man sich über eine bestimmte Pflanze unterhalten will, kann man sich nicht unbedingt sicher sein, dass der andere auch die gleiche Pflanze meint. Ein weiteres Problem ist, dass oftmals ein und derselbe deutsche Name für ganz verschiedene Pflanzen verwendet wurde.

Mit dem Namen Kuhblume kann auch der Löwenzahn gemeint sein. Die Maiblume wird häufig auch mit Maiglöckchen gleichgesetzt, obwohl dies zwei ganz verschiedene Pflanzen sind. Diese Probleme sind nicht nur in Deutschland vorhanden. Andere Länder haben wiederum in ihrer Landessprache weitere Bezeichnungen, was die Verständigung untereinander erschwert.

Daher ist es sinnvoll, die Namensgebung nach einheitlichen Kriterien vorzunehmen. Das Problem der Namensgebung ist nicht erst in der heutigen Zeit aufgekommen. Schon vor langer Zeit haben sich viele Menschen Gedanken über eine sinnvolle Namensgebung gemacht.

John Ray stellte in seinem Werk „Methodus“ (1703) sechs Regeln auf, die in der heutigen Systematik z. Tl. noch Geltung haben.

  1. Um Verwirrung und Irrtum zu vermeiden, sollten Namen nicht verändert werden.
  2. Merkmale müssen distinkt und exakt definiert sein; solche, die auf Vergleich beruhen (wie Größenunterschiede), sollen nicht verwendet werden.
  3. Merkmale sollten für jedermann leicht feststellbar sein.
  4. Gruppen, die von fast allen Botanikern anerkannt werden, sollen beibehalten werden.
  5. Es ist darauf zu achten, dass verwandte Pflanzen nicht getrennt, unähnliche und einander fremde nicht vereinigt werden.
  6. Die Merkmale dürfen nicht ohne Notwendigkeit vermehrt werden, sondern es sollen so viele aufgeführt werden, wie zur sicheren Kennzeichnung erforderlich sind.

Um diesen ganzen Anforderungen gerecht zu werden, wurde bei einigen Pflanzen der Name immer länger, da man jedes Merkmal aufführen wollte. Dabei kamen dann so schön klingende Namen heraus wie:

Gentiana angustifolia autumnalis minor floribus ad latera pilosis!

Dieses System war sehr mühselig in der Benennung und auch bei der späteren Anwendung der Namen.

Carl von Linné (1707 – 1778) war es schließlich, der im Mai 1753 die binäre (= aus zwei Einheiten bestehende) Nomenklatur eingeführt hat. Damit wurde es möglich, Pflanzen (und auch Tiere) eindeutig zu bezeichnen und sie in eine systematische Gliederung des Pflanzenreiches einzuordnen. Um die Pflanzen nicht nur wahllos zu benennen, wurde und wird bei der Namensgebung viel Sorgfalt angewandt, um eine präzise und für alle verständliche Form des Namens zu finden.

Aus Gentiana angustifolia autumnalis minor floribus ad latera pilosis wurde dann Gentiana ciliata, der Fransen-Enzian.

Anhand der Namen lässt sich feststellen, dass Namen etwas aussagen über:

  1. die Beschaffenheit der Pflanze oder einzelner Teile, z.B. Adiantum = das unbenetzbare (a = nicht; diainein = benetzen), zu deutsch Frauenhaarfarn
  2. die Herkunft der Pflanze, z.B. Castanea = die aus Kastana in Thessalien stammende Pflanze, zu deutsch: Kastanie.
  3. die Ähnlichkeit mit einer anderen Pflanze, mit Tieren oder irgendwelchen Gegenständen z.B. Bellis bellidiastrum (astrum bedeutet die Ähnlichkeit zu), zu deutsch: das Maßliebchen.
  4. die Ehrung eines Forschers und andere berühmter Persönlichkeiten z.b. Robinia (nach dem Gärtner ROBIN, der die Pflanze 1600 einführte), zu deutsch: Robinie

Eindeutiger sind die Hinweise, welche uns die Artnamen geben. Viele Namen beziehen sich auf Heimatort, Herkunftsland, Standorte einer Art, aber auch wiederum berühmter Persönlichkeiten. Andere heben besondere Wuchsformen und Wuchseigenschaften hervor oder zeigen die typischen Merkmale von Stängeln, Blättern, Blüten, Blütenständen und Früchten auf. Auch Ähnlichkeiten mit anderen Pflanzen oder Tieren und deren Organen waren der Anlass zur Namensgebung. Besonders häufig sind Namen, die auf Größen, Blütezeiten und Farben hinweisen:

Persönlichkeit:Pitcairnia loki-schmidtii, nach Loki Schmidt
Größe:minimus = der kleinste
giganteus = riesenhaft, riesig
Blütezeiten:majalis = im Mai blühend
solstitialis = sommerblühend
autumnalis = herbstblühend
hiemalis = winterlich
Farben:viridis = grün
luteus = gelb
caeruleus = blau

Heute gilt das binäre System weltweit, auch im Ausland kann man in den Botanischen Gärten immer wieder die gleichen Bezeichnungen für gleiche Pflanzen finden. Dabei werden meistens die Familie, die Gattung und die Art auf den Etiketten angegeben.

Gattung / Artname →Actinidia polygama
Deutscher Name →Silberrebe
Familie →Actinidiaceae
Vorkommen/Verbreitung →Japan, Korea, Sachalin, Mandschurei, West China

Wer Pflanzennamen gut behalten will, sollte sich die Bedeutung der Bezeichnung an Hand eines „Fachwörterbuches der Pflanzennamen“ einprägen. Viele Arten die in Botanischen Gärten kultiviert werden, besitzen noch keinen allgemein gebräuchlichen deutschen Namen. Auf eine Übersetzung wird in der Regel verzichtet. Daher bleibt die Zeile für den deutschen Namen häufig leer.

Für den Fachmann und den interssierten Liebhaber kann in jedem Fall nur die lateinische Bezeichnung maßgebend sein, denn diese ist eindeutig und vor allem auch international anerkannt.

Autorin: Xenia Pieper